Tüten blähen sich zu Wänden

Von Tom Bullmann im Feuilleton der Neue Osnabrücker Zeitung vom 7.2.2006

 

Wie schaffe ich es, ein optisch dominant gestaltetes Ladenlokal in einen "Kunstraum" zu verwandeln, in dem die türkische Kultur eine Zeichen setzende Verbindung mit der deutschen eingeht? Diese Frage stellten sich die Osnabrücker Künstlerinnen Beate Lechler, Marion Tischler und Carola Rümper. Unter dem Stichwort "Istanbul in Osnabrück" hatten sie die Genehmigung bekommen, das zurzeit leer stehende Geschäft eines Juweliers an der Großen Gildewart 21 künstlerisch zu okkupieren.

 

Die komplett mit schwarzen Schieferplatten verkleideten, nur durch einige Glasvitrinen aufgelockerten Räumlichkeiten forderten geradezu zu künstlerischer Aktivität heraus. Weil das Künstlerinnen-Trio im letzten Jahr das Projekt "Drei bringen Plastik nach Istanbul" gestartet hatten (wir berichteten), lag es nahe, für die Aktion jetzt das gleiche Plastikmaterial zu nutzen, mit dem Lechler, Tischler und Rümper bereits während der Istanbul Biennale 2005 gearbeitet hatten: blaue und grüne Abfalltüten.

 

An einer Wand haben die Initiatorinnen der Aktion vorgegeben, wie sich der Raum verändern könnte: Wie Ballons blähen sich aufgeblasene Tüten, verdecken den Naturstein und geben der Mauer eine amorphe Struktur. Beleuchtungskörper scheinen durch den transparenten Werkstoff und tauchen den Raum in irreales Licht. Auf Vitrinen werden mit einem Diaprojektor Straßenszenen aus der Türkei und Deutschland projiziert. Allmählich beginnen die Besucher des Happenings, ihren Teil zur Veränderung der Räumlichkeiten beizutragen - manche schüchtern, manche ganz konkret, indem sie aus den Plastiktüten Figuren mit Kopf und Körper bilden, die sie an der Wand aufhängen, manche wiederum, indem sie minimalistische Kleinskulpturen kreieren.

 

Es herrscht eine angenehme, kreative Atmosphäre. Viele Teilnehmer sind türkischer Herkunft, treten mit den Künstlerinnen in Kontakt und schaffen so den interkulturellen Austausch, der intendiert ist. Am zweiten Abend der Aktion zeigt Holger Tepe von Unabhängigen FilmFest Osnabrück eine kleine Kurzfilmauswahl, die sich mit den Themen "Türkische und deutsche Kultur", "Urbanes Leben" sowie "Plastik" auseinander setzen. Geradezu köstlich beispielsweise das Werk "Liebe auf Türkisch" von Özgür Yildirim, in dem auf amüsante Weise die Probleme einer Partnerschaft zwischen einem Deutschen und einer Türkin beschrieben werden. Leider haben sich zum Film nur wenige Besucher eingefunden.

 

Das Projekt wird in dieser Woche mit Schüleraktionen und Workshops fortgeführt. Am Freitag, 10. Februar, tritt die in Osnabrück gegründete türkische HipPop-Band Rapsilah auf, und zum Finale wird am Samstag, 11. Februar, Uwe Möllhusen sowie Mitglieder der Düsseldorf-Osnabrücker Künstlergruppe "Weltausstellung" die Performances "Stand By" und "Blind Fragment" starten.

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