Vom Reiz eines starren Blicks

Von Tom Bullmann Osnabrück im Feuilleton der Neue Osnabrücker Zeitung vom 12.8.2009

 

Ein Junge und ein Mädchen stehen vor einer Wand. Der Junge scheint seine Spielkameradin aufzufordern, um die Ecke zu schauen, weil dort offenbar etwas Spannendes oder auch Unheimliches passiert. Tatsächlich erweist sich der weibliche Part dieses Pärchens als der Mutigere, denn das kleine Mädchen schickt sich in dem Bild "Wer wagt es?" an, wirklich hinter die Mauer zu sehen.

 

Doch um die Unterschiede zwischen den Geschlechtern geht es der Malerin Susanne Heitmann gar nicht. Aus den aktuellen Bildern, die sie in der GALERIE schwarz | weiss ausstellt, spricht eher ihr Interesse für den Unterschied zwischen Jung und Alt. Da lungern perspektivlose junge Menschen an einer Straßenecke herum, zwei Mädchen im Teeniealter sitzen auf einem Sofa, den Blick starr auf einen Punkt, vermutlich einen Fernseher oder Monitor, gerichtet. Oder eine junge Frau springt voller Übermut in einem Akt der Selbstüberschätzung über eine Gruppe von Gleichaltrigen, die sie fasziniert beobachten. Aber auch der gesellschaftskritische Aspekt oder die mentale Verfassung unserer Jugend interessieren Heitmann zumindest nicht in Bezug auf ihre Kunst.

 

Nein, es sind eher die kleinen Dinge, die der Künstlerin wichtig sind. Wie wirken ihre Figuren im Raum? Haben sie genug Freiheit, genug Luft zum Atmen? Mit grobem Strich komponiert sie. Eine Bewegung rückt in den Mittelpunkt, Menschen, die ihre Gefühle offenbaren, Liebe, Aggressivität oder einfach nur Ruhe. So tauchen auch Titel wie "Chillen" oder "Emotions" in der Werkliste auf. Manchmal ist eine Bewegung wie "Der Sprung" oder ein Gefühl zwischen zwei Personen in einem offenen Raum so wichtig, dass Heitmann darauf verzichtet, die Gesichter ihrer Figuren auszuarbeiten. Ohne Antlitz geben sie dem Betrachter die Möglichkeit, den Schwerpunkt der Bildinhalte zu verlagern – nicht ohne eine gewisse Irritation hervorzurufen.

 

"Im Strom der Zeit" ist darüber hinaus eine Reihe betitelt, in der Heitmann sich biografiebedingt mit dem Thema Vergänglichkeit auseinandersetzt. Inspiriert von bröckelnden Putzfassaden in Italien, schichtete sie dünne Ölfarbschichten auf die Leinwand, zwischen denen sie mit Kohle Gestalten positionierte, die gänzlich immateriell wirken, als würden sie im nächsten Moment vom Bild verschwinden.

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